Sehr wichtig, was weltweit abgeht
Zum internationalen Frauentag: Marina Tamássy, Mitgründerin der „Untiere“
VON KATHARINA KOVALKOV
Dass sie aussah wie ein Junge, immer wissen wollte „Warum?“ und welche Verbindung sie zur „Addams Family“ hat, verrät Kabarettistin und „Untier“-Dame Marina Tamássy. Außerdem erzählt sie im RHEINPFALZ-Gespräch, was sie vom Weltfrauentag und von der Gleichstellung der Frau weltweit hält.
„Bis zu meinem fünften Lebensjahr sah ich eigentlich immer aus wie ein Junge, mit kurzen Haaren und niedlichen Latzhosen“, erzählt „Untier“ Marina Tamássy. Doch wenn sie von Passanten als „kleiner süßer Junge“ angesprochen wurde, erwiderte sie schon damals kess und selbstbewusst: „Ich bin aber ein Mädchen!“
Die gebürtige Mannheimerin, die schon von klein auf „den Leuten auf den Geist gegangen ist mit meinem ewigen ,Warum?’“, hat jedoch in Kunst und TV sehr schnell andere weibliche Charaktere gefunden, die so kess durchs Leben gingen wie sie: Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“, Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“, das „Aschenbrödel“ aus dem tschechischen Märchen „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und Wednesday Addams aus den frühen „Addams Family“-Filmen.
„Diese Charaktere waren für mich prägend – frech, aktiv, engagiert, hochintelligent, humorvoll und manchmal ein bisschen düster. Sie haben mir bestätigt, was ich sowieso schon in mir hatte: die Rebellin. Ich fühlte mich dadurch nicht mehr alleine und wusste: Ich bin gut so, genau so wie ich bin!“
Und auf der Bühne hat sie einen Ort gefunden, an dem sie diese unangepassten Frauentypen feiern konnte. „Witzigerweise bin ich gegenüber dem Nationaltheater in Mannheim aufgewachsen. Und schon mit zwei Jahren stand ich bei uns zu Hause am Fenster, habe auf das Theater gezeigt und gesagt: ,Da gehe ich mal hin …“
Und dieser Wunsch wurde wahr: Von der Mannheimer Musikschule, wo sie Gesangsunterricht und professionelle Sprecherziehung erhielt, führte sie ihr Weg zum Mannheimer Nationaltheater, wo sie später mit einem Schauspielkollegen auch eigene Produktionen aufführen durfte.
Mit Anfang 20 betrat sie zum ersten Mal die Kabarettbühne – in der Mannheimer „Klapsmühl’ am Rathaus“. „Damals war auch mein politisches Interesse geweckt. Und das Kabarett war für mich immer ein politischer Spiegel.“ Dort lernte sie Wolfgang Marschall kennen. Und 2009 gründeten sie gemeinsam das Kabarett-Ensemble „Die Untiere“.
Im Gegensatz zur Comedy-Sparte sei das Kabarett „schon immer auch mit wunderbaren, frechen, sarkastischen und fantastischen Frauen besetzt – von Claire Waldoff über Liesl Karlstadt bis Blandine Ebinger. Diese Frauen hatten schon immer was zu sagen und sind teilweise – gerade in den 1930ern und 40er-Jahren – unter gefährlichen Umständen aufgetreten. Heutzutage gibt es aber glücklicherweise auch wunderbar witzige und clevere Frauen in der deutschen Kabarett-Szene. Zum Beispiel Carolin Kebekus, Anny Hartmann, Christine Prayon oder Carmela de Feo, die im März bei uns ,Untieren’ zu Gast ist.“
Im Werbetext der Untiere wird Tamássy als „geballte Weiblichkeit“ auf der Bühne angekündigt. Und als solche lege sie „keinen Wert auf gute ,Verdaulichkeit’ bei meinen Auftritten. Ich singe den Leuten im Publikum auch gerne mal meine Wut vor die Füße.“ Vor allem den Politikern. „Ich nehme kein Blatt vor den Mund. Damit sehe ich mich auch in einer Vorbildfunktion als Bühnenkünstlerin.“ Für die Bühne erschafft sie eigene Figuren, die als Vorbilder der unangepassten Weiblichkeit dienen können.
So etwa „Berta“ – eine Frau, „die zu leidenschaftlich, zu laut, zu wenig feminin im Aussehen ist, aber in ihrem Anspruch hoch sozial. Sie ist ungezähmt, einigen Männern suspekt, und hat doch das Herz am richtigen Fleck. Meine ,aus Wut mach Mut’-Aktivistin! Sie ist für mich ein positives Beispiel des Archetypus einer wilden Frau!“
Und wilde Frauen brauche die Welt, laut Tamássy, um die Gleichberechtigung voranzutreiben. „Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung, was die ,Frauenprobleme’ speziell hier in Kaiserslautern sind, aber sehr wichtig finde ich, was weltweit abgeht! Wenn ich über die Verstümmelung der Frauen in anderen Ländern nachdenke oder die Giftgasangriffe auf Schülerinnen im Iran – da braucht man als Frau nicht einen Tag, an dem alle ,Heiteitei’ rufen und man Schnittblumen geschenkt bekommt.
Versteht mich nicht falsch, dass es den Weltfrauentag grundsätzlich gibt, ist superwichtig. Aber, so wie die Welt immer noch ist, bräuchte man 365 Tage lang Weltfrauentag.“ Die Kabarettistin bedauert, dass ein Tag, „der vor über 100 Jahren ins Leben gerufen worden ist“, sein Ziel der völligen Gleichstellung noch immer nicht erreicht habe. „Wir haben Politikerinnen und Frauen in Chefsesseln. Für sie müsse das politische Bewusstsein für die Belange der Frauen geschärft werden. „Denn wenn man solche Themen schleifen lässt, werden sie rückläufig.“
Und erst, wenn die Gleichberechtigung der Frau weltweit Einzug gehalten hat und „wenn alles in Ordnung ist – dann feier’ ich gerne“, sagt Tamássy.
Die Serie Am 8. März war „Internationaler Frauentag“. Aus diesem Anlass haben wir engagierte Frauen vorgestellt.
DIE RHEINPFALZ / Ausgabe vom 15.03.23